Angela
Janesch geb. Schauer, (vulgo Boschlsch Angela, Weißenstein Nr. 11) Die schönsten Jahre in der Heimat Die letzten Jahre in der Heimat Dokumentation über die eigene Umsiedlung, Vertreibung, Inhaftierung in das Vernichtungslager Sterntal und dem Neuanfang in Deutschland) Angela Janesch geb. Schauer, (vulgo Boschlsch Angela, Weißenstein Nr. 11) Die schönsten Jahre in der Heimat Ich bin im Jahre 1920 geboren, als das vierte von den acht Kindern des Schauer Johann (vulgo Boschlsch) und seiner Frau Helene, geb. Stampfel (vulgo Gerzesch), in Weißenstein Nr. 11. Für die ältere Generation möchte ich auch noch sagen, wer meine Großväter waren, denn der Boschlmatl und der Gerzmatl waren weit über die Altlager Gemeinde hinaus bekannt. Letzterer war der Vater meiner Mutter. Beide Höfe lagen fast in der Mitte des Dorfes einander schräg gegenüber, wobei Gerzesch Hof den meines Vaters an Größe und Behäbigkeit übertraf. Bis in den ersten Weltkrieg betrieben meine Großeltern Stampfl auch noch eine Gaststätte, von der als Zeugen noch die große Küche, vor allem der große Herd sowie die Gläserschränke und das Dromur zu sehen waren. Meine Großmutter väterlicherseits war schon gestorben, aber Gerzesch Mamma, die aus Neulag von Fink "Matoeisch" stammte, wurde für uns nach dem Tode unserer Mutter im Jahre 1929 mehr als nur Großmutter. Wenn wir in Not waren, kamen wir zu ihr. Nahtlos reihten sich die Kinder ihrer Tochter an die ihren, denn ihr jüngster Sohn war fast im gleichen Alter wie mein ältester Bruder. Goldene Hochzeit meiner lieben Großeltern, 1940 Mich hatte meine Patin Aloisia Gliebe, um meine kranke Mutter zu entlasten, schon vor deren Ableben zu sich genommen. Sie war die Besitzerin von Haus Nr. 8 (vulgo Paetrsch) und Witwe. Sie und ihre Tochter Miene sorgten dafür, daß das Gefühl, Weise zu sein, so gut wie gar nicht aufkam. Eingeschult wurde ich zwei Monate vor meinem sechsten Geburtstag. Frau Rosa Krische, Gattin des Oberlehrers Anton Krische, war in der ersten und zweiten Klasse meine Lehrerin. Den Religionsunterricht erteilte in der ersten Klasse Kaplan Schniderschitsch, der spätere Pfarrer von Warmberg. Sein Nachfolger war Kaplan Kreiner, der später als Pfarrer die Pfarrei Ebental betreute. Klassenfoto / 1928 1928 fand
in Altlag die Firmung statt. Unser Pfarrer Perz war zu dieser Zeit schon
kränklich, so daß Kaplan Kreiner die Betreuung der großen
Gemeinde an sich nehmen mußte. Es war aber
nicht nur für die Kinder eine wunderbare Auferstehung, sondern für
die ganze Kirchengemeinde. "Der Heiland ist erstanden", wurde
von allen gemeinsam mit dem Chor gesungen sowie zum Schluß das "Großer
Gott wir loben dich". Mein Vater
wehrte mit den Worten "Herr Kaplan, machen sie sich keine Unkosten,
es war für mich auch eine Ehre, daß mein Dirndle den Bischof
grüßen durfte", ab. Da lachte der und sagte, "Herr
Schauer, deswegen zahle ich den Wein gar nicht, sondern, weil ihr Dirndle
in der Schule alles wußte, was der Bischof fragte. Der Bischof prüfte
gestern, nach dem Empfang, in der Schule die Kinder. Richtig aber prüfte
er mich, ob ich den Kindern auch den vorgeschriebenen Lehrstoff beigebracht
habe. Wenn nun ein Kind nicht antworten konnte, rief ich ihre Tochter
auf. Sie wußte jedesmal die richtige Antwort. So konnte der Bischof
feststellen, daß ich meine Pflicht erfüllt hatte." Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. Die Kalbin ließ mich gerade aufsitzen, als mich der Onkel Franz, ältester Sohn des Großvaters, bemerkte. "Due Kröte, due pekimmes heint won Attein!" - sein Kommentar. Ich hatte Angst, da ich aber doch einmal heimgehen mußte, ging ich wild entschlossen, aber doch sichtlich Reue zeigend in die Stube, wo ich Großvater wußte. Er saß in seinem Stuhl am Tisch, die lange Pfeife mit dem Porzellankopf, dem schönen Deckel und an der Seite die bunten Pommerl, die zum Aufhängen der Pfeife dienten, im Mund. An der Tür blieb ich stehen, denn das war sicher nicht nur für mich der unausgesprochene Sünderpfosten. "Komm zu mir!", sagte Großvater ernst, aber nicht unfreundlich. Ich ging. Er legte den Arm um mich, zog mich an seine Seite und sagte: "Gele, du darfst mit der Kalbin reiten, nur laß ihr auch so viel Zeit zum Fressen, daß sie nicht hungrig von der Weide gehen muß." Ja, wie war mir denn da? Natürlich tat ich, wie der Großvater sagte. Ich ritt nun immer auf die Weide und zurück mit der Kalbin. Großvater war, bevor er den Hof von seinen Eltern übernahm in Colorado gewesen und ritt dort Wildpferde zu. Verständlich, daß er für das Hobby seiner Enkelin nicht die gleiche Intoleranz hatte wie sein Sohn. Die Pferde blieben bis zu seinem Tode seine große Liebe. Es dauerte nun nicht mehr lange, dann durfte ich nicht mehr auf der Weide bleiben. Um 4.00 Uhr in der Frühe mußte ich die Glocken der Rinder mit Heu verstopfen, damit die Leute nicht aufwachten, wenn ich sie durch das Dorf trieb. Übers Brückerle, gut 40 bis 50 Minuten bis hinunter "ze Baude" brachte ich sie. Dann machte ich die Glocken auf und wartete, bis sie richtig zu fressen begannen. Dann konnte ich sie allein lassen, bis ich sie um 9.00 Uhr wieder holte. In der Früh lief ich auf dem Heimweg mit der Sonne um die Wette. Auf der Spitze vom Brückerlein lugte gerade die Sonne hinter den Bäumen am Auerspergschen Wald hervor. Nun lief ich nicht auf dem Wege, sondern über Stock und Stein den Berg hinunter. Zeitweilig sah ich sie schon fast heroben und dann fiel sie wieder zurück. Wenn ich bei Gerzesch Mauer das Dorf vor mir noch im Schatten liegen sah, hatte ich den Wettlauf gewonnen. Es machte mir großen Spaß. Die Zeit der kindlichen Spielerei war vorbei, obschon ich noch zur Schule ging. "Hagn, jatn, rachn, Jot ausklaubn" und vieles andere mehr waren Arbeiten, für die Kinder meines Alters herangezogen wurden. Ganz wie von selbst band ich meine Schürze hoch und füllte sie so am Wege gehend mit Nüssen, Schwammerl, Schitzn und vielen anderen Dingen, die mir des Mitnehmens Wert erschienen. Zu Winteranfang konnten wir Mädchen die oben genannten Sachen verkaufen und hatten je nach Fleiß ein gutes bis sehr gutes Taschengeld. Die Buben und Burschen fingen mit kleinen Holzschachteln Siebenschläfer, zogen sie ab, trockneten die Bälge, indem sie sie auf ein zugeschnittenes Brettl streiften in der Luft. Das waren Arbeiten, die abends, in der Nacht und in aller Frühe gemacht wurden. Das dafür erhaltene Geld diente für verschiedene Sonderausgaben. Auf diese Weise hatten wir schon sehr früh Gelegenheit, Geld zu verdienen und auch damit nützlich umzugehen gelernt. Ich möchte meinen Bericht über die schönsten Jahre in der Heimat nicht beenden, ohne von unserer "Weißensteiner" Kirche einiges zu erzählen. Sie war der heiligen Mutter Anna geweiht und stand 10 Gehminuten vom Dorf entfernt, noch bedeutend höher als das Dorf. Vor dem ersten Weltkrieg war sie ein Wallfahrtsort. Durch einen beträchtlichen Anbau, der auch vor dem Krieg mit Hilfe der in Amerika lebenden Weißensteiner erbracht wurde, ward sie zur größten Filialkirche der Altlager Pfarre geworden. Weißenstein, Kirche St. Anna Der Bauer Josef Kikel (vulgo Stafonsch) war Kirchenprobst. Da wir keinen Mesner hatten, wurde der Kirchenschlüssel jede Woche von Bauer zu Bauer weitergegeben. So kam es, daß ich schon als junges Mädchen mit meinem Vater Glockenspielen (klänken) gelernt hatte. Kamen jedoch die Burschen uns zu helfen, gab es ein Geläut, das die Dorfbewohner hocherfreute. Unsere Burschen verstanden sich darauf. Wurde ich allein zum einfachen Mittag- oder Abendläuten geschickt, hatte ich große Schwierigkeiten, die Glocke zum Stillstand zu bringen. Der Strick zog mich vom Boden hoch und entzog mir damit die Kraft zum Stemmen. Na, hieß es hernach zu meinem Verdruß im Dorf, "Gele due mischt nöch wiel Ganzelein aßn! " Der fünfte Sonntag nach Ostern war unser Kirchweihsonntag. Wir Mädchen brachten, unterstützt von den Burschen, die Kirche auf Hochglanz. Wir flochten viele Kränze, manche reich gespickt mit Schneeglöckchen und brachten sie innen und außerhalb der Kirche an. Der Haupt- und die Seitenaltäre wurden überreich mit Blumen geschmückt. Wir freuten uns, daß unser Sonntag überdurchschnittlich gut besucht wurde, trotzdem, daß wir keine Gaststätte hatten. Heute kann ich es auch verraten, daß wir auch Telliansch Mama ihren schönen Blumenvorrat abbettelten, so daß gerade an diesem Tage ihr immer so schön geschmücktes Haus ganz kahl dastand. Die Mauern unserer Kirche wurden zu Kalk verbrannt. Daher sind auch keine Ruinenreste mehr zu sehen, wie man sie sonst doch noch meistens ausmachen kann. Meine Heimat - ich liebe dich ! Geschrieben am 25. Oktober 1984, Boschlsch Angela
www.gottschee.de Zuhause rissen wir die Kolben ab und warfen sie auf einen großen Haufen zusammen, entweder in den Stadel oder auch in die Stube. Abends kamen wir wieder zur gemeinsamen Arbeit bei dem jeweiligen Bauern zusammen. Die Mädchen zupften die starren und überzähligen Blätter vom Kolben, ließen einige Innenblätter stehen und streiften sie zu einem abstehenden Büschel überkreuz und schlugen mit elegantem Schwung einen der Kolben darüber. Nun steckten sie das Ende des passenden Büschels in die so entstandene Halböffnung und zurrten eine feste Schleife. Das ging sehr schnell und wir Mädchen verstanden uns auch bestens darauf. Die meisten Frauen und Mädchen beherrschten auch sämtliche Männerarbeit. Zum Trocknen wurde der Mais auf Stangen oder Zöpfen aufgehängt und im Winter auch oft in Gemeinschaft abgerieben, sodann ganz trocken zum Mahlen in die Mühle gefahren. Außer Mais bauten wir noch Gerste, Hafer, Buchweizen und Hirse auf unseren Feldern an. Weizen war nicht so ertragreich und wurde schon gemahlen im Geschäft gekauft. Das aus dem Banat stammende Adamehl eignete sich besonders gut für die bei uns so beliebten Pebollizen und den Strudel. Einige Worte noch zur Hirse, bei deren Abendarbeit wir die größte Gaudi hatten. Nachdem sie geschnitten, in Garben gebunden und in der Harfe (Koasel) gut getrocknet war, schichteten der Bauer und seine Familie die Garben zu einem hohen Stapel im Stadel. An der Längsseite im Stadel war an der Wand nur zum Hirsereiben eine lange starke Stange angebracht, damit wir uns festhalten konnten, während wir die Garben mit nackten Füßen nach hinten rollten und dabei gefühlvoll das Korn austraten. Die Burschen
warteten im Stadel auf uns. Kaum hatten wir die Schuhe ausgezogen, stürzten
sie sich auf uns und wollten uns auf den Stapel werfen. Gelang dieses
Vorhaben, sprang der Bursche hinterher und busselte das Mädel ab,
während die anderen vor Vergnügen jauchzten. So dauerte es eine ganze Weile, bis wir richtig zur Arbeit kamen. Wenn ein Bursche nicht die Kraft hatte, ein oder sein Mädchen hinauf zu werfen, war es für ihn deprimierend, genau wie für ein Mädchen auch, das nicht hinaufgeworfen wurde. Fand ein Mädchen Gefallen am Burschen, erleichterte sie ihm durch ihre Haltung den Wurf und dieser wiederum sorgte dafür, daß das Mädchen nicht zu sehr beiseite stand. Nachdem der Auftakt vorbei war, legten sich die Burschen unter die Haltestange und schauten uns unter Lachen und Scherzen bei der Arbeit zu, nicht zuletzt wegen der schönen Aussicht, durch die sie vielmehr von den Beinen der Mädchen sehen konnten als normalerweise erlaubt war. So war es beim Hirsereiben - ein harmloses, doch zu keiner anderen Zeit erlaubtes Vergnügen. Nach all diesen abends ausgeführten Arbeiten gab es danach von der Bäuerin zum Essen und Trinken. Später wurde noch eine Weile getanzt oder wir vergnügten uns mit Spielen aller Art. Ganz nach dem Motto "halte dich bei der Arbeit zur Seite" will ich auch als letztes von unserer alltäglichen Arbeit und der Arbeit, mit der wir uns nebenbei ein Taschengeld verdienten, berichten. Viehzucht
war eine der Möglichkeiten, mit der Arbeit auch Geld zu erwirtschaften.
Die Aufzucht jedoch war langwierig und brauchte Jahre, bis z.B. ein paar
Ochsen aus eigener Zucht verkauft werden konnten. Viel schneller ging
es, wenn Ochsen mager gekauft, 3 bis 4 Monate gut gefüttert und dann
auf dem Markt an die Metzger verkauft wurden. Leicht zu errechnen, wie
oft letztere in den 3 Jahren, die zur Aufzucht nötig waren, einen
ganz schönen Verdienst verbuchen konnten. Die mageren Ochsen konnte
man auf den Märkten kaufen, die fast monatlich in Gottschee abgehalten
wurden. Meist jedoch gingen wir und holten sie direkt an der Quelle, nämlich
im kroatischen Raum. Verdienst brachte auch die Schweinemast und der Verkauf von Kälbern, deren Absatz fast immer gegeben war. Milch, Eier, Obst und viele andere Lebensmittel, die verderblich waren, konnten wir durch die weite Entfernung zur Stadt nicht verkaufen. Wir verwerteten sie im Hause, um sie auf Umwegen doch noch zu Geld zu machen. Beim Obst gelang uns das immer, weil wir Schnaps kochen konnten. In einem guten Obstjahr machten wir bis zu 300 Liter guten, zweimal gebrannten Schnaps. Verkauft wurde er erst im darauffolgenden Frühling, weil wir dann die besten Preise erzielten. Holz, das auch eine wichtige Einnahmequelle war, wurde nur in Notzeiten geschlagen, außer, es wurde ein besonders guter Preis geboten. Haushalten war hier die Devise. Ich sprach
vom Taschengeld, das wir uns nebenbei verdienen konnten. Nun, es war nicht
nur ein Geld nebenbei, sondern, es war auch die Arbeit so nebenbei, daß
es die Eltern fast nicht merkten, denn die reguläre Arbeit durfte
darunter nicht leiden. Wir Mädchen sammelten und pflückten unter
anderem Steinpilze, Haselnüsse und Walnüsse in unsere zu einer
Tasche aufgebundenen Schürze, wenn wir unserer Tagesarbeit nachgingen.
In der Frühe, sobald es das erste Morgengrauen zuließ, gingen
wir mit Körben und pflückten auf den uns wohlbekannten Plätzen
die Pilze, schnitten sie zum Trocknen auf, um sie dann in Säcken
gefüllt dem Pilzhändler zu verkaufen. Mit den gepflückten
Nüssen konnten wir auch noch ein Scherflein verdienen, da aber behielten
wir einen Teil zurück, damit wir zu gegebener Zeit den Burschen aufwarten
konnten, denn wenn ein Mädchen keine hatte, galt sie als faul. Nicht
ganz zu Unrecht, wie ich meine. Auch bei den Burschen war die Voraussetzung zu einem guten Nebenververdienst der Fleiß, den auch die Mädchen vermerkten. Die Haupteinnahme war bei ihnen der Verkauf von Siebenschläferbälgen. Die ganz tüchtigen brachten es auf zwei bis dreihundert Siebenschläfer, die sie in den sogenannten "Pilichmatzlein" fingen. Zuhause wurde der Balg abgezogen und über ein zurechtgeschnittenes Brettl gestreift, so daß sie straff gespannt trocknen konnten. Der Aufkäufer zahlte oft gute Preise, so daß das Taschengeld oft sehr stattlich ausfiel. Vermerken möchte ich, daß jedermann im Dorf das Recht hatte, die oben erwähnten Dinge auf Gemeinschaftsgrund zu sammeln oder zu fangen. Auch auf dem Alleinbesitz namen es die Bauern nicht so genau, so daß auch die Nichtbesitzer die gleichen Möglichkeiten hatten. Mitte der dreißiger Jahre wurde der Schwäbisch-Deutsche-Kulturbund gegründet, der neue Varianten in unser Leben brachte. Bei den wöchentlich stattfindenden Heimabenden lernten wir viel, vor allem Handarbeiten anfertigen, was uns später zugute kam. Durch den Export mancher Landwirtschaftsprodukte erreichten wir einen besseren Lebensstandard. Der Krieg, der zu Ostern 1941 gerade 14 Tage dauerte, brachte uns die italienische Besatzung, die die Umsiedlung der ganzen Volksgruppe zur Folge hatte. Es war der Beginn eines Kreuzweges, an dessen Ende der Untergang und das Verderben stand. Ich verweise auf die Dokumentation, die ich 1981 durch Herrn OSR. Erker bei der Sepp-König-Stiftung deponieren ließ. Viele unserer Besten, die damals zu den Waffen gerufen wurden, sind gefallen oder starben in Gefangenschaft. Wir, die wir noch leben, sind in aller Welt verstreut, sind aber dankbar, daß wir uns mit unseren Landsleuten treffen können, auch wenn die Anreise zu diesen Treffen oftmals sehr weit ist. Wir wünschen
von ganzem Herzen allen nachkommenden Generationen, daß sie in Frieden
leben dürfen und nie wieder ein Krieg ihr Leben und ihre Heimat bedroht. Angela Janesch, geb. Schauer, Weißenstein Nr. 11
www.gottschee.de
Dokumentation (über die eigene Umsiedlung, Vertreibung, Inhaftierung und dem Neuanfang in Deutschland)
Vorwort zu meiner Dokumentation Mein Tatsachenbericht bezieht sich in der Hauptsache auf meine Kinder und mich selbst. Jede Einzelheit entspricht der Wahrheit. Die Gespräche mit den Partisanen wurden in slowenischer Sprache geführt. Ich lege Wert darauf, daß dieser Tatsachenbericht nicht verändert oder verfälscht wird. Es gebe natürlich noch unendlich viele Begebenheiten zu berichten, aber ich bin noch berufstätig und habe Familie, es fehlt mir daher die Zeit. München
den 03.02.1981 Meine Großmutter mütterlicherseits, Josefa Stampfel, geb. Fink aus Neulag, und die Mutter von Sepp König waren Schwestern. Beide waren in der Zeit schon verstorben. Ihr Bruder, der das Elternhaus in Neulag (Matjoisch) übernommen hatte, lebte damals noch, er war ca. 80 Jahre alt. Sein Sohn Eduard Fink, war mit seiner Familie österreichischer Staatsangehöriger und mußte bei der Kriegserklärung Deutschland / Jugoslawien innerhalb von 24 Stunden das Land verlassen, und da fängt meine Geschichte an. 14 Tage vor Ostern, ich war gerade vom Felde Nachhause gekommen, rannte ein Sohn von Eduard und Maria Fink aus Neulag in unseren Hof und rief: "Angela, Angela komm bitte schnell zu uns. Meine Mutter hat mich geschickt,wir müssen nach Österreich, weil Krieg ist und du sollst auf unser Haus auf passen". "Nein", sagte ich, "das ist unmöglich, wir sind so schon zu wenig Leute und der Frühjahrsanbau beginnt. Ihr müßt jemand anderen suchen, in Eurem Dorf gibt es Leute genug." Er ging,
aber eine halbe Stunde später war er wieder da. Er weinte herzzerreißend,
seine Mutter wüßte niemanden und ich wäre die einzige
der sie vertrauensvoll alles überlassen könnte (Na ja ein Bauernhof
ca. 70 Hektar Grund mit Hund und Rind und 2 alten Großvätern).
In 14 Tagen ist der Krieg bestimmt aus, dann könnte ich wieder Zuhause
arbeiten. Ich hatte Mitleid und der Krieg war wirklich 14 Tage später
vorbei, aber Familie Fink machte in Österreich Urlaub, während
ich fast jeden Tag 10 Tagelöhner zum Anbau des großen Betriebes
beschäftigen mußte. Ich pendelte zwischen Neulag und Weißenstein
hin und her, begleitet von dem großen Hund der Fam. Fink, der sehr
wohl wußte, daß mir von den fliehenden
Serben, genau wie von den kommenden Italienern Gefahr drohte. Es war Ostern, als Jugoslawien kapitulierte, Ostern 1941. Was für ein Tag. Jubel bei den Menschen und eitel Sonnenschein in der Natur, geschenkt von Gott, der unsere Geschicke leitet. Wir warteten auf den Einmarsch der deutschen Truppen schon Tage, jedoch vergebens. Zweifel und Hoffnung, mit bangen Fragen machte im Ländchen die Runde, bis wir es genau wußten, keine deutsche sondern italienische Besatzung mußten wir erleben. Die Enttäuschung war groß. Hatten wir doch seit 1918 unter fremder Herrschaft gelebt und nun sollte nur die Nationalität der Machthaber wechseln, nicht das Mutterland wie wir gehofft hatten. Verhandlungen fanden statt. Dann sickerte durch, daß Deutschland und Italien die Umsiedlung der Gottscheer in deutsches Gebiet beschlossen hätten, da Italien (das Holzarm) unser an Wald so reiches Gebiet dringend brauche. Nein gefallen hat uns das nicht, aber lieber als wieder einen fremden Staat zu dienen, wieder um unsere Sprache und Kultur bangen zu müssen, lieber freundeten wir uns mit dem Gedanken nach Deutschland umgesiedelt zu werden an. Wo wir angesiedelt werden sollten wußten wir nicht, unser Vertrauen war groß genug, die ab und zu auftretenden Zweifel zu überwinden. Und außerdem, da doch die älteren Leute, die Besitzer die ganz Reichen und die Intellektuellen keine Bedenken hatten, warum sollten dann wir welche haben. Mir stand die Welt offen, jung gesund und kräftig wie ich war. Gewiß unser Hof war schön das Haus 1936 total renoviert, aber wir würden Ersatz bekommen. Wir bestellten unsere Felder und wir ernteten. Jeder arbeitete bis zum letzten Tag. Am 4. November,
6 Wochen vor der Umsiedlung heiratete ich nach Verdreng zum Janesch, den
Ältesten von Vulgo Kumpn, den Josef. Da ich bei der Durchschleusung
noch bei meinen Vater lebte, hätte ich auch mit ihm umsiedeln müssen,
jedoch mein Mann war entschieden dagegen. So kam es, daß ich bald
zurück geblieben wäre, wenn mich nicht Herr Harde im Abteil
der Prominenz über die Grenze geschmuggelt hätte. In stockfinstrer Nacht kamen wir im kroatischen Grenzgebiet bei Rann / Save an. Meine Güte war das ein Schreck. Das sollte nun unsere neue Heimat im Mutterland Deutschland sein? Kroatisches Land, aus dem man die Bauern und Andere ausgesiedelt hatte, um hier mit uns einen lebenden Grenzschutz zu bilden. Die Reaktion der Leute war entsprechend, um es mit den Worten im neuen Testament zu sagen "Heulen und Zähneknirschen". Es waren massive Drohungen von seiten der Behörden nötig, um die Menschen fügbar zu machen. Einige Familien wurden in Lager ins Reich gebracht und das untermauerte die Drohung. Nein, auch
ich war nicht zufrieden. Ein baufälliges niedriges Haus, abseits
der Dorfgemeinschaft wurde uns bei Nacht und Nebel zugewiesen. Ich merkte,
daß unsere Liebe und Treue mißbraucht wurde. Auf dem Felde
hatte ich täglich von 7 bis 12 Uhr zu arbeiten, Nachmittag von 14
bis 18 Uhr. Außerdem hatte man mir 45 Schweine zum füttern
übertragen und 5 Kühe zum melken und diese Milch zur Sammelstelle
am anderen Ende des Dorfes zum abliefern befohlen. Die Hausarbeit teilten
wir uns, meine Schwiegermutter und ich. Die Verwaltung lag in Händen
So lange ich nicht schwanger war, konnte ich diese Leistung erbringen, denn ich war ein festes und kraftstrotzendes Mädchen gewesen, vertraut mit allen, auch mit den schwersten Männerarbeiten. Mit meiner Schwangerschaft änderte sich das, ich konnte nicht essen, verlor zusehend an Gewicht, so daß mich bald die große Last zu Boden zu drücken drohte. Die DAG hatte begonnen, die Höfe zur Bearbeitung auf eigene Rechnung den Bauern zuzuteilen. Mir wurde Angst und Bange, ich wog mitsamt der Frucht meines Leibes nur noch 50 kg und konnte fast nicht mehr aufrecht gehen. Von der Mutter meines Mannes hatten wir Zuhause die kleine Gastwirtschaft, sowie das halbe landwirtschaftliche Anwesen übernommen. Im einvernehmen mit meinem Mann, begab ich mich nach Marburg zur DAG und zur Vermögensverwaltung und bat uns einen Gewerbebetrieb und nicht einen Hof zur Verwaltung zu geben. Mein Antrag wurde aus gewerbeamtlichen Grund abgelehnt. In meiner Verzweiflung, ging ich noch einmal zur Vermögensverwaltung. Ein Herr Dr. Günther hörte mich an. Mitfühlend meinte er, "liebe Frau, ich würde ihnen gerne helfen, doch mit dem Gewerbeamt habe ich nichts zu tun. Dieses Amt gehört nicht in meinen Verantwortungsbereich - trotzdem, gehen sie morgen noch einmal hin. Kommt man ihnen entgegen, so kommen sie nicht sich zu bedanken, kommt man ihnen nicht entgegen, so wissen sie, daß ich nichts für sie tun konnte." Nächsten Tag empfing man mich auf dem Gewerbeamt, na wie eine Königin. Zwei Betriebe bot man mir an, eine große Gaststätte und ein kleines heruntergewirtschaftetes Lebensmittelgeschäft. Wir entschieden uns für das kleine, bei Cilli gelegene, (also außer dem Ansiedlungsgebiet) Lebensmittelgeschäft. Einzige Bedingung dafür war, 3000.- RM Kaution und meine bindende Unterschrift, daß das Geschäft ordnungsgemäß geführt werde. Ich erwartete mein Kind bis Weihnachten, das Geschäft sollten wir am 13 Jänner 1943 übernehmen. 14 Tage vor Weihnachten verwies uns die DAG des Hauses, in dem wir das ganze Jahr gewohnt und so schwer gearbeitet hatten. Meine Bitte uns noch einen Monat im Haus zu lassen half nichts. Wir mußten in das Häusl, in dem nur 1 Zimmer heizbar war. In diesem lebten die Eltern meines Mannes nachdem wir umgezogen waren. Es war der 10. Dez. 1942, eisige Kälte. Mein Mann besorgte einen Sägespanofen, doch der funktionierte nicht richtig. Ständig war Rauch im Zimmer, beim Rohr tropfte ein Rußgemisch in das Zimmer und es stank fürchterlich. Am heiligen Abend 1942 gebar ich mein erstes Kind, unter denkbar schlechten Umständen. Ich will mich hier nicht näher einlassen, nur, daß in der darauffolgenden Nacht, auch noch der Ofen neben meinem Kopf explodierte. Der Deckel flog in hohen Bogen durch die Luft und landete auf dem Fußboden. Der Rauch qualmte in dicken weißen Schwaden aus dem Unterteil das stehen geblieben war und angesengte Sägespäne war am Boden verstreut. Mein Mann riß das Fenster auf und stülpte den Deckel wieder auf das selbstgebastelte Rohrunterteil. Na also, dem sicheren Erstickungstod waren wir entgangen, an diesem heiligsten Tag des Jahres, Christtag 1942. Als wir 16 Tage später nach Cilli übersiedelten, war ich so schwach, daß ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Trotzdem gab ich nicht auf. Das Geschäft war heruntergekommen, hatte einen sehr geringen Umsatz und war inmitten slowenischen Gebiet, also keine günstigen Voraussetzungen für den Gottscheer Eindringling. Die paar Kunden die wir hatten, waren als deutschfreundlich bekannt. Ich beherrschte die Sprache nicht und auch sonst verstand ich nichts von einem Geschäft. Mein Mann war mir keine Hilfe, trotzdem sein Bruder in der Heimat ein kleines Lebensmittelgeschäft gehabt hatte. Von den 2 Verkäuferinnen die wir mitübernommen hatten, schaute ich mir ab, was den Verkauf und das Kartenwesen betraf. Die Geschäftsführung verdankte ich den vorhandenen Unterlagen und der Logik. Es war schwer, fast zu schwer, doch ich habe es geschafft. Mein Mann wurde eingezogen (zur Wehrmannschaft) den Verkäuferinnen mußte ich kündigen, ich stellte eine junge Verkäuferin und einen Lehrling ein. Den doppelten Umsatz verdankte ich wahrscheinlich meinem elenden Aussehen. Spaß beiseite, aber ich vermute, daß es nach dem Reden der Frauen schon ein wenig dazu beigetragen hat, abgesehen davon, daß die Kunden großes Vertrauen in mich hatten, was ja bei der Lebensmittelzuteilung nicht ohne Gewicht war. Im Laufe des Jahres 1943 hatte ich einen Abgang. Der Arzt sagte, ich wäre für die Schwangerschaft zu schwach gewesen. 1944 wurde ich wieder schwanger. Außerdem forderte mich das Ernährungsamt auf, den Laden in den Markt Hoheneg zu verlegen. Ich hätte auch schließen können, was angesichts meiner Lage vernünftiger gewesen wäre, doch mein Mann war damit nicht einverstanden. Ich konnte mich nicht durchsetzen, denn schließlich mußte ich mit ihm und seiner Familie leben. Für den Umzug bekam er Urlaub. Im Februar 1945 gebar ich mein zweites Kind, einen Buben. Mein Mann hatte wieder 14 Tage Urlaub bekommen. Er mußte auch in Hoheneg bleiben. Wir hatten wegen Partisanengefahr umziehen müssen, weil die Läden außer Nähe von Polizeischutz überfallen und ausgeraubt wurden, dieses galt auch für wehrfähige Männer. Entbunden habe ich bei unter null Grad im Zimmer, das Wasser im Grantl (im Ofen) war gefroren. 8 Tage nach der Geburt mußte mein Mann wieder einrücken. Ich war sehr traurig, denn ich ahnte, daß wir uns vor Kriegsende nicht mehr sehen würden. Durch die Aufregung bekam ich Fieber und mußte noch 5 Tage das Bett hüten. Dann ging es mir wieder besser. Zur Betreuung des Kindes hatte ich ein Pflichtjahrmädchen. Ein nettes Kerlchen, das sich auf Kinder verstand. Ich stillte voll, denn ich dachte an die uns sicher bevorstehende Flucht und daß ich nur so das Baby durchbringen konnte. Drei Monate später war es soweit. Ich wollte flüchten, aber die Partisanen hatten unsere Pferde gestohlen. Daher ging ich nach Cilli, um mich nach einer Möglichkeit, mit dem Zug das Land zu verlassen zu erkundigen. Die deutschen Verwaltungsangestellten, von denen ich einige kannte, hatten die Züge für sich in Anspruch genommen. Für mich hieß es, gäbe es keinen Platz mehr, weil sie auch noch Möbel mitzunehmen hätten. Vom Bürgermeister des Ortes erhielt ich eine Warnung. Fünf Minuten zu früh, wenn ich ginge (das Lebensmittelgeschäft war unterdessen für lebenswichtig erklärt worden) sei ich eine Leiche, aber, setzte er hinzu, 5 Minuten zu spät, und sie sind auch verloren. Ja, was sollte ich tun? Mittlerweile waren die Straßen so voll von Flüchtlingen, daß wir unmöglich die Straße überqueren konnten. Domobranzi, Ustascha und andere Gruppen aus den sich gegenseitig bekämpfenden Jugoslawen überfluteten die Straßen. Wir hatten keine Ahnung gehabt, daß sich im Innern des Landes so viel verschiedene Parteien gebildet hatten. Diese Flüchtlinge waren bewaffnet und kämpften sich den Weg frei bis über die Grenze zu den Engländern oder Amerikanern. Trotzdem sollte sich später zeigen, daß die Partisanen noch einen sehr großen Teil gefangen nahmen, und wie es ihnen ging, will ich später berichten. Unter vorgenannten Umständen konnte ich mit meinen beiden Kindern, einem Mädchen von 2 Jahren und 4 Monaten und einem Buben mit 5 Monaten, nicht flüchten. Deshalb hatte ich für Brot zwei kleine Pferde von Flüchtlingen eingetauscht. Ich führte die Pferde zu meinen Schwiegereltern und sagte, sie sollen den Wagen zur Hälfte beladen und die andere Hälfte für mich und die Kinder lassen; dann wollen wir uns den Flüchtlingen anschließen. Als sie mit dem Wagen kamen, war er so voll beladen, daß ich kaum mit den Kindern ganz ohne Gepäck Platz gehabt hatte. So sagte ich, sie sollen allein fahren. Eine deutsche Frau, die ganz am Waldrand wohnte, bot mir an, mich und die Kinder zu verstecken. Nun fuhren aber die Schwiegereltern auch nicht. Die Schwiegereltern aber wollte die Frau nicht aufnehmen und alleine konnte ich sie nicht lassen. So blieb ich in dem Haus und wartete, was nun kommen würde. Von der neuen Gemeindeverwaltung bekam ich wie alle anderen den Auftrag, den Laden zu schließen und unter Androhung der Todesstrafe wurde mir verboten, irgend welche Lebensmittel, egal an wen, zu verkaufen. Nur für mich und meine Familie konnte ich das Essen entnehmen. Acht Tage war alles ruhig. Der Einmarsch der Sieger hatte unter großem Jubel der Bevölkerung stattgefunden. Ich fürchtete den Tag, an dem der Besitzer des Geschäftes zu seinem Haus kommen würde. Ich hatte all seine Sachen, die noch da waren, als wir in sein Haus zogen, in einen Raum zusammengestellt und mit dem Geschäft konnte er mehr als zufrieden sein, denn das Lager war voll bis unter den Boden. Aber er war mir als grober Mann geschildert worden. Seine Frau war von den Deutschen erschossen worden, nachdem er in den Wald gegangen war und sie ihn angeblich heimlich unterstützt hatte. Eines Tages, ca. 8 Tage nach dem Einmarsch der Partisanen, begegnete mir ein fremder Mann. Mein Gefühl sagte mir, der ist es. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn geradeheraus, ob er der Herr Antloga wäre. Er schaute mich erstaunt an und bejahte. Ich stellte mich vor und bat ihn, mit mir ins Geschäft zu kommen, um festzustellen, ob alles in Ordnung wäre. Zur Kontrolle übergab ich ihm die Liste über die Sachen, die wir übernommen hatten. Ich erzählte ihm, warum ich noch nicht hatte flüchten können. Er sagte mir, daß für alle Volksdeutschen in Jugoslawien eine Regelung getroffen worden war, daß wir das Land verlassen müssen und bis es so weit wäre, könnten wir in seinem Hause bleiben. Es wird, sagte er, kein schöner Weg sein und er glaube nicht, daß ich die Kinder lebend durchbringen würde. Einen Rat könne er mir aber geben: "Gehen sie keinesfalls nach Kocevje !" Einige Tage später kam der neue Bürgermeister, genannt der Kommissar, mit einem weiblichen Offizier der Partisanen, mir zu sagen, daß ich in zwei Stunden fertig zu sein hätte, um ins Lager zu gehen. Die Frau war bildschön, aber von einem unerbittlichen Haß besessen, 5 kg könne ich pro Person mitnehmen. Ich fragte, ob ich den Kinderwagen auch mitnehmen könne oder ob der auch gewogen würde. Sie erlaubte großzügig und zugleich zynisch, den Kinderwagen zuzüglich der 5 kg mitzunehmen. Ich sagte, daß ich in zwei Stunden nicht packen könnte. Ich brauchte noch Dauergebäck für die Kinder und mußte mir genau überlegen, was ich am dringendsten benötigte. Wir standen zusammen auf und sahen uns in die Augen. Sie befahl mir rechtzeitig fertig zu sein, jetzt wäre 12:00 Uhr und um 14:00 Uhr wäre meine Zeit um:"Auge um Auge, Zahn um Zahn, und alles was nur so viel deutsch ist, was schwarz unter dem Nagel ist, muß aus Jugoslawien hinaus". Der Kommissar
sagte zu ihr: "Tovaraschina, sie war eine Ehrliche, kannst du ihr
nicht bis morgen Früh Zeit lassen?" Ich konnte nun zufrieden sein, denn unsere Nachbarn - Slowenen, die auf deutscher Seite waren - hatten sich nach 8 Tagen Marterns ihr Grab selber schaufeln müssen, bevor man sie erschoß. Ganz genau überlegte ich nun, was ich unbedingt brauchte, für zwei so kleine Kinder konnte ich an mich nicht denken. Was ich für mich mitnahm, hatte ich alles auf meinem Leib: 4 Hosen, 4 Hemden, 4 Unterröcke, 4 Kleider, 1 Weste und 1 Mantel. In den Kinderwagen tat ich einiges auch für meinen Mann, anstatt eines Polsters. Als wir nun in das Lager wollten, wies man uns ab. Wir würden nicht in das Lager gehören. Jeder müsse dort hingehen, wo er hergekommen sei, und zwar in seine Heimat. Das war unser Unglück; denn nun wußten wir nicht wohin. Die zwei kleinen Pferde und den Wagen hatten wir, aber kein Dach über dem Kopf. Die Partisanen, die überall Wache standen sagten, wir müßten in die Heimat. Ich dachte wohl an die Mahnung Antlogas, der als Hauptmann der Partisanen sicher wußte, was ich nicht tun sollte, aber seitdem wir aus dem Haus ausgezogen waren, waren wir schutz- und hilflos. So fuhren wir nach Gottschee. Vier Jahre
hatten wir die Stadt nicht gesehen - Verwüstung überall, wenig
Menschen. Die Leute fragten, wo wir herkämen. Als wir sagten, daß
wir Gottscheer sind, begrüßten sie uns und sagten, wie froh
sie wären, wenn die Gottscheer wieder zurückkämen. Da erblickte
uns ein Partisan, ging auf uns zu und fragte, von wo wir gekommen sind.
Er führte uns auf die Wache. Dort lag eine Liste der Gottscheer,
die gesucht wurden auf. Zwar waren wir nicht unter den gesuchten, aber
eingesperrt wurden wir trotzdem. Ungefähr 8 Tage waren wir mit ungefähr
10 anderen Gottscheern im Hause "Saijovic". In der Frühe
bekamen wir schwarzen Kaffee ohne Zucker und Brot aus verdorbenem Mehl.
Mittags und Abends gab es Reis oder Gerstenbrei, alles aus verdorbenem
Korn. Es brannte wie eine Beize auf der Zunge und im Magen. Einmal schaute
mich der Wachmann, der das Essen brachte, mitleidig an und sagte: "Bitte
glaubt mir, wir würden euch etwas anderes geben, aber wir haben selbst
nur verdorbenes Essen." Ich weiß nicht, ob das gestimmt hat.
Für meine Tochter Hermine hatten wir noch etwas Kekse und Josef stillte
ich. Dadurch, daß ich fast den ganzen Tag in Ruhestellung war, hatte
ich ausreichend Milch zum Stillen. Unser Gepäck nahmen sie uns nicht
ab, nur die Pferde und den Wagen. Nach 8 Tagen
brachten sie uns mit den anderen mit dem Zug nach St. Veit bei Laibach.
War die Fahrt die ca. Vom Bahnhof
mußten wir zu Fuß nach St. Veit gehen. Auf einmal brach ein
Rad des Kinderwagens. Jetzt war es für mich ganz aus. Ich mußte
mein Mädchen und das Gepäck tragen. Mit einer Hand hob ich den
Wagen an der Seite, wo das Rad kaputt war. Die Anstrengung war zu groß,
da ich mich von den letzten Jahren noch nicht erholt hatte. Plötzlich
gab es mir einen Stich in die Brust und in den Rücken. Das Gepäck
und Hermine rutschten mir herunter. Ich konnte mich nicht mehr rühren
und glaubte, zusammenfallen zu müssen. Der uns begleitende ältere
Partisan schaute mich an, nahm das Kind auf seinen Arm und befahl einem
Mitgefangenen, mein Gepäck in die Halle des nur noch 50 Meter entfernten
Schlosses oder Kaserne zu tragen. Frei von jeder Last war es mir möglich,
die Strecke zu überwinden. Josef schlief im Wagen und Hermine stand
verschüchtert neben mir, unser Gepäck wurde auf den Boden geschüttet.
Ein junger Partisan nahm Stück für Stück, auch die Sachen
meiner Schwiegereltern in die Hand. Was er für gut hielt, nahm er
uns weg. Da mein Gepäck fast nur aus Kindersachen bestand, ließ
er mir fast alles. Er fragte fast immer: "Brauchst du das für
das Kind?" Wenn ich bejahte, legte er es zu den Sachen, die er mir
nicht wegnahm. Nur einmal konnte er nicht widerstehen. Es
war ein Stück Feinseife, die man untern Krieg nur für Ein älterer Offizier, der das alles beobachtet hatte, trat auf mich zu und fragte wo ich herkomme. Ich sagte, daß Gottschee meine Heimat sei. Warum fragte er, hast du deine Heimat verlassen. Ich sagte ihm wie es gewesen war und auch, daß wir nicht wußten wohin wir umgesiedelt werden sollten. Da sagte er "ich weiß es Genossin, es ist sehr schade, auf euren Äckern wächst das Gras. Ich hatte das Gefühl, einen guten Menschen vor mir zu haben, seine Worte begleiteten mein Leben. Später wurden wir in den 2. Stock geführt - Männer und Frauen getrennt. 20 Frauen waren wir in einem ca. 10 qm großen Raum. Kinder waren außer den meinen keine. Wenn wir uns hinlegen wollten, mußten wir die Beine übereinander legen, weil sonst für den Oberkörper nicht genug Platz gewesen wäre. Die meisten hatten nur was sie auf dem Leibe trugen. Mir nahmen ein Partisan und eine Partisanin nächsten Morgen noch alles was mir bei der Einweisung geblieben war ab. Der Raum hatte nur die kahlen 4 Wände, 1 Tür und 1 Fenster. Die Tür war zugesperrt und davor stand ein Wachsoldat. Um ca. 12 - 14 Uhr sperrte er auf, um uns das Essen geben zu lassen. Ein paar Männer trugen einen Kessel voll gekochter Rübenschnitzel, ohne Salz, Fett oder Mehl vor die Tür und gaben jedem Gefangenen einen Schöpflöffel davon. Um Mitternacht gab es noch einmal das Gleiche. Unterm Krieg hatte man damit die Pferde gefüttert. Außer diesen 2 Kellen gab es nichts, nichts, nichts. Wir durften nicht reden oder was fragen. 2 x täglich durften wir in bewaffneter Begleitung zur Toilette. Täglich wurden neue Gefangene herein getrieben, ganze Kolonnen ausgemergelter Männer in Uniformen. Sie wurden unten in den ehemaligen Ställen zusammen geschlagen. Wir hörten nicht nur das Wimmern und Schreien, sondern auch die Schläge durch die Tür. Samstag und Sonntag wurde die Umgebung abgesperrt, die Toten auf Lastwagen verladen und weggefahren. Eine Frau wurde von einem Partisanen in den Kopf geschossen, weil er bemerkt hatte, wie sie aus dem Fenster schaute. Welche Verzweiflung. Den dritten Tag hatte ich für meine Kinder noch nichts zum Essen bekommen. Die Kekse waren fast alle und die Milch für Josef zu wenig. Wieder jagte uns der Partisan auf die Toilette. Da stand an die Wand gelehnt der Offizier, der in der Halle zu mir gesagt hatte: "Auf euren Äckern wächst das Gras...") und schaute sich das an. Ich ging aus der Reihe auf ihn zu. Sofort wollte mich der Wachmann mit dem Gewehrkolben schlagen. Der Offizier wehrte ihn ab. "Laß sie", sagte er, "geh mit den Leuten weiter". Zu mir gewandt sagte er: "Was willst du Tovaraschiza?" Ich bat, uns zu erschießen. Er wollte wissen warum. "Weil erschießen gnädiger ist, als verhungern. Heute bin ich den dritten Tag hier und meine Kinder haben noch nicht einmal zu essen bekommen. Auch kann ich keine Windeln waschen." "Du hast noch nichts bekommen?", wunderte er sich. Dann schaute er mich ganz väterlich an und sagte: "Sei nicht traurig, das hier dauert nicht lange. Ich werde dir eine Rotkreuzschwester schicken, die das mit deinen Kindern in Ordnung bringt. Du kommst, wenn das vorbei ist nach Deutschland und dort wirst du einen neuen Anfang finden. Unseren Leuten wird es schlechter gehen denn die bleiben hier, mit diesen werden wir abrechnen. Jetzt geh und schließ dich deiner Gruppe wieder an." Als ich 15
Minuten später wieder im Zimmer war, ging die Türe auf und eine
Schwester kam herein. Sie brachte für jedes der Kinder etwas Grießbrei
mit Marmelade. Mir gab sie einen Schein, der mich berechtigte, für
meine Hermine jeden Morgen um 7 Uhr in der Küche 1/4 Liter Kaffee
und 1 Stück Brot zu holen. Außerdem bekam ich die Erlaubnis,
auf der Toilette, wo auch Handwaschbecken waren, die Windeln zu waschen. Nun war es etwas besser. Zwar konnte Josef den Eßlöffel Brei, den er zweimal täglich bekam nicht essen, aber Hermine, die ja mit dem Kaffee und Brot nicht auskam, konnte von Josefs Anteil etwas essen und den Rest aß ich, so daß ich wieder etwas stillen konnte. Hermine wollte in der Frühe auch immer mit in die Küche und weinte, wenn sie nicht mitkommen durfte. Um nicht zuviel von ihren Kräften zu verschleißen, nahm ich sie mit. Aber die Füße taten ihr schon weh vor Schwäche. Ich mußte sie tragen. Mir aber tat die Brust weh, wenn ich sie trug. Ich konnte nicht durchatmen und meine Arme wurden gefühllos. So quälten wir uns halt jeden Tag die zwei Stockwerke hinunter in die Küche. An jeder Ecke standen Partisanen Wache. Eines Tages winkte mich einer zu sich, zog eine Rinde Brot aus seiner Tasche und gab sie Hermine. Tränen standen in seinen Augen als er sagte: "Ich habe auch eine sehr kleine Zuteilung, aber ich bin schrecklich traurig, wenn ich sehe, für was ich vier Jahre im Wald gekämpft habe. Wie schrecklich, daß ich für die Freiheit gekämpft habe und jetzt muß ich sehen, daß nicht nur Frauen, sondern auch Kinder eingesperrt sind. Komm jeden Tag her, wenn dich niemand sieht, damit ich deinem Kind von meiner Ration Brot ein Stückchen geben kann." So war es dann auch, bis wir 14 Tage später nach Sterntal bei Pettau kamen. Es hieß,
wir kommen in ein Lager, in welchem wir an die Luft gehen könnten
und auch mehr zum Essen bekommen würden. Ohne Proviant fuhren sie
uns zwei Tage umeinander, obwohl Sterntal nur ca. 60 km entfernt war.
Es war die Taktik, die Menschen zugrunde zu richten, Kinder weinten und
auch die Erwachsenen, Hunger tut weh ! Als wir im Lager ankamen, gaben sie den Kindern sofort zu essen. Die Erwachsenen wurden wieder getrennt - Männer und Frauen - untergebracht. Die Lagerverordnung wurde uns verlesen. In jeder Baracke war eine sogenannte Älteste. Das war nicht wirklich die Älteste, sondern die Person, die etwas zu sagen hatte. Sie wurde von den Partisanen benannt. Jede Nacht hatte jemand anders Wache zu stehen. Niemand durfte aufstehen, auch nicht, wenn die Kinder weinten. Jede Frau, die zum Fenster hinaussehen würde, würde sofort erschossen. Wir waren am Boden zerstört. Nächsten Morgen - vielmehr schon in der Nacht - wußten wir, warum man diese Verordnung getroffen hatte. Sie wollten keine Zeugen für die schrecklichen Verbrechen, die sie bei jedem eintreffenden Transport an den Männern begingen. Da die Baracken keine Fenster und Türen hatten, hörten wir durch die Öffnungen, wiewohl wir flach am Boden liegen mußten, was geschah. Doch niemand traute sich am nächsten Tag darüber zu reden. Um 12 Uhr Nachts schrie draußen bei den Männerbaracken ein Partisan auf einmal auf slowenisch mehrmals hintereinander "Halt", "Stoy", "da will einer flüchten!". Er schoß - an den Stimmen hörte ich, daß es viele Menschen waren. Dann gaben sie Befehl "alle Mann aus den Baracken heraus !". "Antreten und auf und nieder und Marsch, Marsch und wieder auf und nieder." Es waren
keine Männer im militärfähigen Alter dabei. Alle waren
über 60, wie mein Schwiegervater, Behinderte oder Knaben, ausgehungert
und schwach von St. Veit, blieben manche liegen. Die nicht mehr aufstehen
konnten, erschlugen sie am Boden. 28 von 50 waren tot. Im Morgengrauen
wurden sie wie Holzklötze hinausgefahren. Mein Schwiegervater lebte
noch. Er hatte Beulen am Kopf. Wir sahen ihn, aber reden durften wir nicht
mit ihm. Vormittags mußten wir uns in 4er-Reihen aufstellen und
im Schrittmarsch sinkend zum Essenholen gehen. Stundenlang warteten wir
auf ungefähr 30 Gramm Brot und etwas warmes Wasser. Mittags dasselbe
für Bohnen in Wasser gekocht - ohne Salz und Fett - und Abends noch
einmal dasselbe. Die ersten waren noch gut dran, sie bekamen noch eine
Bohnensuppe, aber wenn der Kessel zur Hälfte leer war, dann wurde
Wasser nachgeschüttet und das so lange, daß von 5 Kesseln ca.
9000 Menschen gegessen hatten: 5 - 7 Bohnen und Wasser.
Wir hatten Mitte Juni. Es war warm und die Fliegen bedeckten den schmutzigen Boden zur Gänze. In der Nacht war er rot von Wanzen. Die Kleider waren besonders bei den Männern übersäht mit Läusen. An den Nähten hockten sie aufeinander. Wir Frauen suchten den ganzen Tag danach, damit wir nicht ganz aufgefressen wurden. Die Kinder bekamen etwas mehr Maisbrot und schwarzen Kaffee. Für Babys gab es überhaupt nichts, keinen Brei und keine Milch. Eines Tages, es waren schon unzählige Lagerinsassen gestorben, hieß es, ein Partisan sei krank geworden, eine Seuche sei ausgebrochen. Ein paar Tage später bekam meine Tochter Hermine hohes Fieber. Sie bat um den Arzt. Zwei Schwestern und ein Arzt aus den Reihen der Gefangenen hatten eine Ambulanz eingerichtet. Das Lager war zur besseren Beaufsichtigung und Kontrolle unterteilt. Jede Abteilung hatte als Sicherheitsvorkehrungen Stacheldrahtzäune und Wachen. Das ganze Lager war mit einem ca. 4 Meter hohen Drahtzaun, einem breiten Stacheldrahtverhau, einem Elektrograben und Wachen in Wachtürmen und Gräben gesichert. Nun wollte ich in die andere Abteilung, wo sich die Ambulanz befand. Normalerweise wäre ich niemals durchgekommen, aber mit dem kranken Kinde auf dem Arm und dank meiner Sprachkenntnisse ließ mich der Partisan durch. Der Arzt schaute das Kind an und sagte: "Liebe Frau, ich kann ihnen nicht helfen. Es ist nicht ein Seuche, sondern gleich mehrere, vor allem Hungertyphus. Wir haben ja gar nichts - keine Medikamente, nicht einmal Tee. Von Eichenrinde haben wir Tee gekocht, davon bekommen sie jeden Tag etwas, damit das Kind nicht direkt austrocknet." Jeden Tag bekamen wir nun ein kleines Schüsserl, denn wir hatten ja auch kein Wasser. Ja, es fällt mir sehr schwer, überhaupt darüber zu schreiben, denn die Tränen benetzen das Papier. Aber dies war erst der Anfang des Kreuzweges. Wieder in der Baracke bettete ich die Kleine auf meine Decke. Ich legte mich nebendran auf den Fußboden. Bisher waren wir beide auf der Decke gelegen und Josef im Wagen. Da wir in der Nacht kein Licht hatten, mußte ich im Finstern Hermines Mund ertasten, um ihr den Tee, den ich der Temperatur wegen auf der Brust trug, einflößen zu können. Die Ration Essen, die ihr zustand, konnte sie nicht mehr zu sich nehmen. Ich teilte es mit meiner Schwiegermutter, die mir bei der Pflege half. Die Fliegen wollten sich immer auf das Kind setzen, es war ständig nötig, zu wehren. Ich legte ein leichtes Tuch über seinen Kopf, wenn wir zum Essen holen gingen, damit es etwas geschützt war. Oft ließen uns die Partisanen eine Stunde vor den Baracken stehen. Wer nicht selber das Essen abholte, bekam nichts. In 4er-Reihen mußten wir marschieren und singen. Wer nicht sang, bekam nichts. Ich blieb so lange bei den Kindern bis sich der Zug in Bewegung setzte. Wenn der Partisan nicht hersah, sprang ich zum Fenster hinaus und reihte mich ein. So dauerte es nicht ganz so lang bis ich wieder bei den Kindern war. Nach 10 Tagen war meine Hermine vollkommen ausgezehrt. Die Haut überspannte nur noch die Knochen. Vom 26.
auf 27. Juli 1945 träumte ich in der Nacht von einem lebensgroßen
Christusbild in schönen Farben. An der rechten Seite von Jesus waren
Kindernamen aufgeschrieben, die gestorben waren. Plötzlich bückte
sich Jesus und schrieb noch einen Namen dazu. Ich wachte auf und erschrak.
Mir wurde gewiß, daß das Kind sterben würde. Ich flößte
ihr Tee ein und sie schlummerte wieder ein. Nun träumte ich noch
einmal dasselbe. Ich wachte auf und dachte an Josef, aber ich schob diesen
Gedanken weit von mir denn Josef stillte ich und er hatte keine Anzeichen
einer Erkrankung. So hart, dachte ich, kann mich der Herrgott nicht strafen.
Ich sollte mich irren. Nächsten Tag starb Hermine. Zwei Männer
trugen sie in einem rohen Kistchen hinaus und ich wußte nicht einmal
wohin. Sterbezettel
für Hermine, ausgestellt im Vernichtungslager Sterntal Ich hatte mich noch nicht im geringsten erholt, als 8 Tage später mein Buberl mir nur unruhig mit der Hand über meine Brust fuhr. Zwar saugte er, aber so schwach, daß ich merkte, daß er überhaupt keine Milch absog. Ich rannte förmlich wieder zu dem Arzt und berichtete ihm meine Beobachtung. Er schaute mich mitleidig an und sagte, daß das Kind krank sei. Alles, was ich tun könne, wäre die Milch abzudrücken und ihm einzuflößen. Ich flehte ihn an zu helfen, daß das Kind nicht stirbt. "Kann ich denn nirgendwoher Hilfe bekommen?". "Bei uns nicht," sagte er, "wir haben nichts und bekommen nichts." Es sterben täglich Hunderte von Menschen. Die Mittel hat nur der Partisanenarzt und da können wir nicht hin." Ich fragte ihn, in welcher Abteilung dieser Arzt wäre. Er zeigte mir die Richtung und sagte auch gleich, daß es keinen Zweck hätte, ich würde mich selbst in Lebensgefahr begeben. Das war mir gleich. Ohne das Kind machte ich mich auf den Weg. Bei der ersten Sperre drohte mir der wachhabende Partisan mit dem Bunker, wenn ich nicht sofort zurückginge. Zur Bekräftigung hielt er das Gewehr zum Zuschlagen hoch. Ich sagte: "Geh mir aus dem Weg, ich gehe zum Arzt für mein Kind. Es ist mein letztes, das andere habt ihr schon begraben. Also geh' mir aus dem Wege. Er erschrak sichtlich, senkte sein Gewehr und trat zur Seite. Vor der Kommandantur war es schlimmer. Sie wollten mich nicht hineinlassen, bis der Arzt draußen den Trubel hörte. Nun trat er in die Türe, winkte die anderen ab und hieß mich hinein. "Was willst du, Tovaraschiza ?" Hier muß ich noch erwähnen, daß die Offiziere immer Genossin (Tovaraschiza) und die Soldaten immer "Ustascha" zu uns sagten. Ich erklärte ihm, daß mein Mädchen vor 8 Tagen mit zweieinhalb Jahren gestorben ist und mein Bub und letztes Kind mit sechs Monaten krank geworden ist und bat um Hilfe. Er sagte: "Ja, weißt du nicht, daß du bei mir nicht an der richtigen Stelle bist, ihr habt euren eigenen Arzt." "Ein Arzt ohne Medikamente", sagte ich, "ist nur eine Blende für die Menschen. Ist nicht der Arzt verpflichtet zu helfen, ob Feind oder Freund." Tun sie bitte ihre Pflicht, die sie gelobt haben." Nach diesen Worten war er wie umgewandelt." "Wie alt, sagtest du, ist dein Kind?" "Sechs Monate", sagte ich, "Genossin", meinte er, "ich kann dir nicht helfen, weil das Kind zu klein ist." Wäre es vor acht Tagen gestorben und das ältere noch am Leben, würde ich dieses in das Krankenhaus nach Marburg bringen und es würde wieder gesund werden. So aber ist es besser, du laßt dein Kind bei dir sterben. Ich gebe dir einige Tabletten. Es ist keine Hilfe, aber eine Erleichterung. Du bist jung und wirst wieder Kinder haben." Es war mir kein Trost, im Gegenteil, ich war zu Tode gekränkt, ich nahm die Tabletten und ging. 14 Tage hat mein Kind gelitten, vier Tage war es nicht tot und nicht lebendig, so daß ich am 15. August auf meine Knie fiel und zur Maria Muttergottes betete, sie möge mein Kind erlösen von seinen Qualen. Noch während ich betete, ging sein Atem immer ruhiger und leiser, bis er ganz ausblieb.Sterbezettel (Kopie) für Josef Ich blieb wie versteinert bei ihm sitzen. Wieder kamen die Männer und wollten es holen. Sie mußten sich vor Schreck hinsetzen als sie das Kind sahen. Sie wollten es in das Kistchen legen, aber ich konnte es nicht anfassen lassen. Ich hob es selbst in das Kistchen. Ein unbeschreiblicher Schmerz nahm Besitz von mir. Wie ein wundes Tier suchte ich den Menschen aus dem Wege zu gehen. Mit 24 Jahren war ich so gebrochen, daß die Menschen über mich hinweggehen hätten können wie über einen Zweig oder Stein, der auf dem Wege lag. Inzwischen war auch mein Schwiegervater an Hungertyphus erkrankt. Die strengen Trennungsmaßnahmen waren etwas gelockert worden, so daß wir Kontakt mit ihm aufnehmen konnten. Wieder war ich beim Partisanenarzt gewesen und hatte um Hilfe gebeten. Er aber sagte nur, daß seine Macht zwar noch ausgereicht hätte, ein Kind in das Krankenhaus einzuliefern, für einen Erwachsenen dies aber ausgeschlossen sei. Das einzige was er tun könne wäre, dem Vater Diätkost zu geben. So holte meine Schwiegermutter einige Wochen Krankenkost in der Partisanenküche, aber es half nichts. Vater starb qualvoll am 7. September. Ich muß jetzt einige Wochen zurückgreifen. In unserer Baracke war auch eine Gottscheerin mit Namen Rack aus Rieg. Sie war mit einer Gruppe und ihren vier Kindern schwanger von Österreich nach Ungarn und von dort nach Jugoslawien geirrt, weil sie keine Bleibe fanden. Zwei ihrer Kinder, ungefähr 9 und 10 Jahre alt, waren total unterernährt, aber sie konnten noch laufen und waren auch im Gesicht noch Kindern gleich. Die beiden anderen Kinder, die 2 und 4 Jahre alt waren, hatten Ruhr. Unter der Haut zeichnete sich jeder Knochen ab und die Köpfe sahen so aus, wie man sie von Dachau kennt. Den ganzen Tag reinigte, fütterte und trug die Frau die Kinder ohne Unterbrechung. Sie starben nicht, aber der Schmerz die Kinder so zu sehen, war für die Mutter wahrscheinlich auch nicht geringer als ich ihn empfunden hatte. Das fünfte Kind hatte sie im Lager entbunden. Es war gesund. Ich hatte
schon erwähnt, daß jede Nacht eine andere Frau Wache zu stehen
hatte. Bei einer Kontrolle hatten wir wie beim Militär Meldung zu
machen. In der darauffolgenden Nacht des 15. August als Josef gestorben
war, hätte eine ältere Frau Wache stehen müssen. Da sie
Angst hatte, bot ich ihr an für sie zu wachen. Plötzlich - um
Mitternacht - hörte ich, wie sich jemand der Baracke näherte.
Ich ging hinaus und sah zwei Offiziere. Beide ungefähr 25 - 27 Jahre
alt. Ich salutierte und meldete nach Vorschrift wie viele Frauen, Kinder
und Kranke sich in der Baracke befanden. Da winkte der eine ab und sagte,
warum ich nicht ein Fenster aufmachte. "Was soll ich aufmachen",
sagte ich, "wenn keine drin sind." Da wir kein Licht hatten,
leuchtete er mit der Stablampe hinein und griff mit der Hand in die Öffnung.
"Tatsächlich", sagte er, "kein Fenster. Was stinkt
denn hier so?" "Schauen sie in die obere Ecke des Zimmers, dann
werden sie es sehen." Er leuchtete in die Ecke wo Frau Rack mit ihren
Kindern lag. Als sie die Kinder sahen, waren sie so erschrocken, daß
sie ganz entsetzt zurückprallten. "Was ist denn das, wo sind
die Kinder hergekommen?" wollte er wissen. "Ja",sagte ich,
"habt ihr denn in der Freiheit schon einmal solche Kinder gesehen?"
"Nein." "Was ist die Mutter für eine Landsmännin?"
"Wie ich, eine Gottscheerin." "Spricht sie Slowenisch?"
"Nein, sie ist ein Bäuerin und hatte keine Gelegenheit die Sprache
zu erlernen." "Ja", sagte der eine - scheinbar fühlte
er eine gewisse Erleichterung
- "Ja, wir dürfen nie vergessen, was uns die Deutschen angetan
haben." Ich hatte
mit einer schlimmen Reaktion gerechnet, aber sie schauten sich nur an
und einer meinte: "Sie sagt die Wahrheit." Zu mir gewandt sagte
er: "Sage deiner Landsmännin, sie soll morgen in die Partisanenküche
kommen, sie bekommt für ihre Kinder, was sie zum Essen brauchen." Entlassungsschein,
VS / RS, Vernichtungslager Sterntal Die ersten Tage starben mehr Leute als sonst im Durchschnitt, dann aber wurde es besser. Es war am 20. September, als wir aufgerufen wurden auf den Abtransport zu warten. Als Gepäck hatte ich nur eine Decke und etwas von meinen Kindern, das ich als Andenken behalten wollte. Die anderen Kindersachen hatte ich Frau Rack gegeben. Es regnete in Strömen. Meine Schwiegermutter hatte einen Schirm, unter den ich mich auch unterstellen konnte. Wir hatten schon stundenlang gewartet. Im Lager gaben sie das Mittagessen aus. Wir waren hungrig und froren. Ich nahm unser Schüsselchen und versuchte in der Küche etwas für uns beide zu bekommen. Ich erhielt zwei Portionen. Endlich - am Nachmittag - wurden wir verladen - nach einer Liste. Obwohl man meine Schwiegermutter gleich nach mir aufgerufen hatte, kam sie in den nächsten Waggon, weil in unserem Waggon kein Platz mehr war. Die Waggons waren offen und total voll gestopft. Wir waren dem Regen ausgesetzt und standen dichtgedrängt. Als der Zug anfuhr, war ich schon total durchnäßt. Ich rutschte auf meine nasse Decke hinunter und blieb so liegen. Die Leute stiegen auf mir herum. Ich hörte noch, wie jemand sagte: "Passen sie doch etwas auf und treten sie nicht auf die Frau." Dann sagte ein Mann: "Ach was, die ist doch schon tot." Von da ab weiß ich nichts mehr. Am nächsten Tag zog mich ein Mädchen von Matzele aus dem Waggon und half mir zu einer Hauswand. Wir waren in Ungarn. Sie hatte das Brot, das in der Nacht ausgeteilt worden war, für mich in Empfang genommen, die gute Seele. Jetzt schien die Sonne mit einiger Kraft an die Hauswand, meine Kleider trockneten. Aber sonst hatte ich außer dem Brot nichts mehr. Auf einmal kam mein Vater und mein Bruder. Sie waren auch beim selben Transport und hatten mich schon verzweifelt gesucht. Sie hatten eine Ecke im Waggon mit Stroh und Brettern windgeschützt eingerichtet. Nun war ich gerettet. Auch meine Schwiegermutter und eine alte Tante nahmen sie noch zu sich. Am dritten Tag kamen wir in Wien an. Viele Leute waren gestorben, manche haben den Verstand verloren in den Kohlenwaggons, ohne Schutz vor Wind und Wetter. Ich habe es gesehen. 3 Tage Fahrt von Pettau bei Marburg bis Wien. Wir wissen nicht wo man uns überall umher gefahren hat. Gott sah uns nicht mehr und der Sieger genoß die Rache die schon vorher bis ins Kleinste geplant war. In Wien wurden wir an ein Lager in der Bräundelgasse gebracht. Zuerst bekamen wir etwas warmes zum Essen und dann wurden wir entlaust. Gott sei Dank! 14 Tage wartete ich auf meinen Mann, denn von den Lagern in Leibnitz und Kapfenberg waren schon Männer gekommen, die ihre Angehörigen suchten. Daß er gut nach Österreich gekommen war, wußte ich schon als ich noch in Hohenegg war, aber er kam nicht. Nun glaubte ich, daß er nach München gegangen war, weil ich ihm die Adresse von Bekannten gegeben hatte, wo wir uns treffen konnten, wenn wir uns verloren gingen. Ich ging nun einfach zum Zug und fuhr bis fast an die Grenze. Dort stieg ich aus und ging schwarz über die Grenze. Vor mir gingen drei Banater. Ich folgte ihnen. Es war schon finster als wir in Passau ankamen. Die Leute gingen in ein Lager. Ich folgte ihnen. Am nächsten Tag fuhr ich gleich nach München. Aber desto näher ich der Stadt kam, desto mehr wurde mir bewußt, daß ich so arm nicht zu meinen Bekannten kommen konnte. Sie hatten ja selbst nichts zum Essen. In Freising stieg ich daher aus dem Zug und ging in eine Gaststätte. Dort bekam ich ohne Karten ein Stammgericht, das aus Kartoffeln bestand. Anschließend ging ich auf das Meldeamt. Im Lager
Wien hatte ich eine ganz kleine Ausweiskarte, die auf Englisch ausgefüllt
war, erhalten. Diese und ein Zettel den die Partisanen mit meinem Namen
und Geburtsdatum ausgestellt hatten (den Zettel habe ich noch) waren meine
einzigen Papiere. Denn Ausweise, Dokumente
und Schreibmaterial jedem Gefangenen abzunehmen, war scheinbar das Hauptanliegen
der Partisanen. Da ich keinen anderen Ausweg wußte, ging ich halt hin, ja sehr, sehr ungern. Als ich mein Anliegen vorgebracht hatte, fragten mich die anwesenden Damen und Herren ganz auf geregt: "Ja wie, sie kommen erst jetzt aus Jugoslawien, wie geht es unten usw. Mir wurde ganz übel vor Abneigung und Zorn und sagte, daß sie nicht so tun sollen als wüßten sie nicht warum ich hier bin, als wüßten sie nicht, daß seit Kriegsende hunderttausende Menschen umgebracht, gefoltert und in Lagern dem Hungertode preisgegeben sind. Da nahm mich der Delegat bei den Schultern, drehte mich zur Wand und sagte: "Liebe Frau, bitte beruhigen sie sich, sie beschuldigen die Falschen ,sehen sie das Bild König Peters, wir sind die königliche Exilregierung und wenn wir die Wahlen die am 11. November in Jugoslawien stattfinden gewinnen, dann können wir alle wieder in die Heimat zurück, auch die Volksdeutschen wie sie." Ich war sehr überrascht, hatte ich doch noch nie von einer derartigen Bewegung gehört. Ich wußte seitdem ich im Lager gewesen war, daß es mehrere Parteien in Jugoslawien gegeben hatte, auch daß schließlich die kommunistischen Partisanen als Sieger, das Land in Besitz nahmen, das hatte ich sogar noch miterlebt, doch von einer königlichen Exilregierung wußte ich nichts. Ich sagte, daß die Königsanhänger diese Wahlen nie gewinnen können, dafür hat die Titoregierung gesorgt und tut es immer noch. Ich erzählte was ich gesehen hatte und daß kein Mensch den Mut hätte nach einem solchen Massaker frei zu wählen. Ich merkte, daß man mir nicht glaubte. Der Delegat bot mir an mir behilflich zu sein, damit ich in ein Unra Lager kommen könne, ein solches befand sich in der Schlüterfabrik in Freising, doch ich wollte nicht in ein Lager, ich wollte arbeiten und das Geschehene überwinden und auch meinen Mann versuchen zu finden. Der Bürovorsteher warnte mich und sagte, daß ich nur in der Landwirtschaft Arbeit finden würde, für diese aber nichts erhalten würde und doch so notwendig etwas zum Anziehen bräuchte. Ich nahm
meine Karten und ging trotzdem einfach auf der Straße von Freising
hinaus aufs Land. Plötzlich kam ein Der Mann
bog dann bald in den Wald ab, und ich tat, wie er mich geheißen
hatte. Der Wirt nahm mich in Dienste als Die Schmerzen in meinen Armen wurden immer schlimmer. Eines Tages, ich war nun bald zwei Monate bei den Wirtsleuten gewesen, als ich beim Dreschen und Strohaufheben plötzlich einen brennenden Schmerz in meiner Brust und im Rücken spürte. Wieder wäre ich fast - wie in St. Veit - umgefallen. Ich konnte meinen Kopf nicht mehr aufrecht heben und die Hände nicht mehr heben, sondern nur noch waagrecht ausstrecken. Ich wurde in das Krankenhaus gebracht mit der Diagnose, zwei Dornfortsätze und einen Wirbelbogen gebrochen. Zwei Monate mußte ich nun flach liegen, dann war die Fraktur geheilt, aber schwere Arbeiten sollte ich nicht mehr verrichten, zumindest im nächsten halben Jahr nicht. Ja, was
nun? Ich sagte zwar jedesmal die Wahrheit, blieb aber trotzdem im Lager, während mancher Pole hinaus verwiesen wurde. Mir war nicht recht wohl in meiner Haut. Inzwischen hatte ich erfahren, daß es ein Flüchtlingslager in Freising gab. Also ging ich eines Tages hin und erzählte dem Flüchtlingskommissar, wie ich in das Lager gekommen war und daß ich wieder heraus wollte. "Sind sie denn wahnsinng!", sagte er, "wir können ihnen doch nichts geben, bleiben sie ja drin ! Sie sind die Einzige, die dieses Brot dort zurecht ißt. Sollte es einmal herauskommen, daß sie Deutsche sind, ist es immer noch Zeit, zu mir zu kommen." Im Juni 1946
kam dann mein Mann von Österreich. Da er nicht Bescheid wußte,
sagte er im Büro des Lagers, daß wir Volksdeutsche sind. Zwei
Tage gewährte man mir noch Gastfreundschaft, wie mir der Höchste
von der Unra sagte. Vom Flüchtlingskommissar bekamen wir sofort ein
Zimmer bei einem Bauern vermittelt, in Neufahrn bei Freising. Mein Mann
fand Arbeit bei der Bahn in München-Freimann, und ich half dem Bauern
auf dem Felde. Wohl hatte ich Schmerzen im Rücken vom Unfall, aber
nur von den Lebensmittelmarken konnten wir nicht leben. Das Meiste das
ich vom Bauern bekam, gab ich meinem Mann, damit er nicht hungern mußte. Als ich am 3. Dezember 1947 unseren Walter gebar, half mir die Bäuerin mit Essen und Arbeit aus. Einen Kinderwagen bekam ich vom Wirt in Wippenhausen, bei dem ich anfangs gearbeitet hatte und Babysachen sowie Kleider für mich und auch etwas für meinen Mann hat mir meine Patin Regina Fleckenstein und meine Freundin Anna Meditz, geb. Kikel, aus Weißenstein aus Cleveland geschickt. Alle hatten damals mit der Unterstützung ihrer eigenen Verwandten genug Last und doch halfen mir die beiden auch. Gott lohne es ihnen. Mein Mann hatte bei seiner Arbeit einen Freund gefunden, einen Münchner der uns wohlgesinnt war. Durch ihn erfuhren wir, daß auf dem Schießplatz in München- Freimann Parzellen mit ungefähr 500 qm eingeteilt wurden und Interessenten als Gartenland überlassen wurde. So kam mein Mann eines Tages und sagte, daß sein Freund Weigl ein solches Grundstück erhalten habe und wir gemeinsam ein Behelfsheim darauf bauen könnten. Herr Weigl war der Meinung, daß es für uns in jeden Fall besser sei als in Neufahrn in dem schlechten Zimmer und so weitab vom Arbeitsplatz, auch wenn wir uns um einen eigenen Platz bemühen und auf diesem einen ausrangierten Waggon stellen würden, wäre es besser als da unten zu bleiben. Ich war dafür daß wir uns um einen Platz bewarben, doch mit jemanden zusammen bauen oder einen Waggon aufstellen, nein das mochte ich nicht. Hauptsache wir hatten einen Platz, wenn auch nur gepachtet, das andere würde die Zeit bringen. Mit der Währungsreform brachte mein Mann Geld, mit dem man auch was kaufen konnte, ich arbeitete weiterhin bei unserem Bauern und brauchte deswegen weit nicht so viel Geld als die meisten anderen Leute, nämlich nur 51 DM. mtl. Mit unserem Kopfgeld bei der Währungsreform kauften wir Zement. Gab es einmal etwas günstig zu kaufen, so zum Beispiel die Dachplatten die der Händler durch einen Großeinkauf billiger verkaufen konnte, liehen mir die Bauersleute das Geld damit ich auch da mithalten konnte. Die Jahre die ich ohne Bezahlung, (auch noch nach der Währung) arbeitete, machten sich auf diese Weise bezahlt. Ostern 1949 erstellten wir den Rohbau für das nur 6 Meter lange Häusl und im Oktober zogen wir ein. Zwei Zimmer waren verputzt, jedes hatte 1 Fenster und 1 Tür, doch alles andere fehlte. Da wir nun am Platze waren konnten wir besser arbeiten. Mein Mann machte Mithilfe des in Wippenhausen gekauften Holzes und einer Baracke vom Huber provisorische Böden, Treppen und Türen. Später würden wir alles fachmännisch machen lassen. Einen Kredit von 2500.- DM aus dem Fond des Soforthilfegesetzes bekam jeder Siedler, auch wir. Im Februar 1950 eröffnete ich unser Milchgeschäft. Für Einrichtung hatten wir 300.- DM gebraucht, wobei die weiße Farbe zum streichen des Mobiliars am meisten zu Buche schlug. Eigenleistung. Große Schwierigkeiten hatte ich mit der Zulassung durch das Gewerbeamt, dem Milchamt und sogar vom Milchhof, der ja unser Lieferant werden sollte, sowie von der Uorstandschaft unserer Siedlergemeinschaft. Von letzterer deswegen, weil einer von ihnen ein Milch und Lebensmittelgeschäft selbst eröffnen wollte, trotzdem wir die Zusage für ein Lebensmittelgeschäft von der Vorstandschaft selbst von Anfang an hatten. Die Gewerbefreiheit trieb sonderbare Blüten. Als ich all diese Hindernisse beseitigt hatte (auch Mithilfe der Militärregierung) war die Welt wieder in Ordnung, die Herren der Schöpfung hatten soviel Charakter zuzugeben, daß sie mir Unrecht getan hatten. 1951 also 1 Jahr später bekamen wir unsere Anschi. Wenn ich nicht soviel Kunden gehabt hätte, daß ich mir eine Frau für das Kind und meinen Haushalt hätte leisten können, ich weiß nicht wie es weiter gegangen wäre. 1953 bauten wir das Häusl auf 10 Meter wie geplant an und eröffneten auf drängen der Kunden ein Lebensmittelgeschäft das auf den Namen meines Mannes lief. Ende dieses Jahres gab er seine Arbeit im Ausbesserungswerk auf und arbeitete im Geschäft 1958 kauften wir eine Filiale und unser drittes Kind die Brigitte kam ein Jahr später, also 1959 auf die Welt. Zu dieser Zeit beschäftigten wir 4 Angestellte.Hier standen einmal die Häuser, ca. 1968 Meine Arbeitstage waren lang, 14 - 17 Stunden täglich, außer Sonntag, da nämlich legte ich die Arbeit um 5 Uhr Nachmittag nieder. 8 Jahre später eröffneten die großen Konzerne Wertkauf und Profi ihre Supermärkte im Euroindustriemarkt, also in unserer allernächsten Nähe. Ich war nicht traurig, wir schlossen die Filiale und beschäftigten im Haus nur noch 2 Angestellte. Die meisten der anderen Geschäfte mußten schließen, unseres war gesund. Mein Mann ist jetzt 67 Jahre alt und ich 60. Unser Geschäft ist solide und gesund. Die Kunden wägen ab was sie im Supermarkt kaufen und was bei uns, denn sie wollen uns nicht verlieren, so wenig wie wir sie. Aus Altersgründen kommt sicher der Tag wo es nicht mehr weitergeht, doch jetzt sind wir noch zufrieden und glücklich. Geschrieben
am 3. Februar 1981 (alle Rechte
vorbehalten), Angela Janesch
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